Zu allererst schaue man natürlich, wer an dem Contest teilnimmt, und wer nicht. Eine Reihe muslimischer Länder etwa nehme an der Eurovision nicht teil, weil Israel dabei sei. Auch Palästina fehle bislang: Zwar sei die palästinensische Flagge bei den Vereinten Nationen bereits gehisst, doch könne seine Teilnahme einen Skandal auslösen. Oder ein anderes Beispiel: Monaco verzichte, weil die osteuropäischen Staaten nach Ansicht des Zwergstaates zu starke Unterstützung bei dem Songcontest erhielten und die slawische Solidarität die Monegassen daran hindere, einen gebührenden Platz unter den Sängern einzunehmen.
Kasachstan hingegen wolle seit Langem teilnehmen, gehöre bislang jedoch nicht zum Sendebereich. Die Briten seien schon lange von Zweifeln geplagt, ob England, Schottland und Wales nicht getrennt auftreten sollten. Dass die Schotten in diesem Fall für die Engländer und die Engländer für die Schotten stimmen würden, sei kaum zu erwarten. Im Vorfeld der Brexit-Abstimmung und eines erneuten Referendums über die Unabhängigkeit Schottlands sei diese Frage besonders aktuell.
Die Frage der Teilnahme oder Nicht-Teilnahme an sich zeige also schon, wie stark politische Aspekte bei der Organisation dieses Wettbewerbs seien.
Der zweite Punkt sei der, dass am Abstimmverhalten der Zuschauer das Verhältnis zwischen den Völkern unterschiedlicher Länder gut ablesbar sei. Es gebe das Phänomen der nachbarschaftlichen Abstimmung. Die Balkanstaaten stimmten füreinander. Es gebe eine slawische Solidarität. Dann gebe es noch die traditionellen Abstimmungen. Griechenland – Zypern, Moldawien – Rumänien, die Türkei – Aserbaidschan und so weiter. Russland erhalte tendenziell viele Punkte aus Weißrussland und Armenien, früher auch aus der Ukraine. Auch die Baltischen Staaten stimmten – so sonderbar es auch erscheinen mag – häufig für Russland. Klar sei auch, dass die Skandinavier füreinander stimmten.
Drittens: die sogenannte professionelle Jury und die Möglichkeit der Ergebnismanipulation. In 2003 sei es zum Eklat gekommen, als die russische Gruppe Tatu eine recht hohe Bewertung von den britischen Zuschauern erhalten habe. Danach solle es zu einem technischen Ausfall gekommen sein. Die britischen Stimmen seien in die Gesamtbewertung nicht eingegangen und die Jury habe gegen die Russinnen gestimmt. Das Ergebnis für Tatu: nur der zweite Platz.